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SERIE SOUND
SERIE SELF (Nur auf Englisch verfügbar)
SERIE SCIENCE (Nur auf Englisch verfügbar)
   
  MARKUS WOLF + MARKUS BADER, 2002: BOOTLEG OBJECTS: SERIE SOUND
 
  Ein Phono-Radio ohne das Phono, ein Kassettenreceiver ohne Kassette, und ein Plattenspieler, der sich nicht dreht, sind die drei ersten Objekte der Serie “Bootleg Objects”. Den drei ehrenwerten Designklassikern ist hier wohl was geklaut worden. Oder wurde etwas hinzugefügt? Der Name deutet es an: Bootlegging ist historisch das Schwarzbrennen von Alkohol, später wandelt sich der Begriff zur Bezeichnung von illegalen Konzertmitschnitten. Heute benennt “Bootleg” den Musikstil der Rekombination, des (vorzugsweise klammheimlichen) Verquickens möglichst disparater Popstücke. Verschnitt/Mitschnitt also. Unbekümmert subversives Sampling von Objekten, Selbstbedienung im Designmuseum, Entwerfen unter fröhlich-treudoofer Missachtung kommerzieller und juristischer Reglements wie Urheberschaft oder Marktfähigkeit. Ein Ausdruck von Wertschätzung der Qualitäten des ursprünglichen Objekts. Aber auch seine eigentlich ikonoklastische Dekonstruktion. Gegenstand der Gestaltung ist nicht mehr – wie traditionell – die Annäherung von Form und Funktion, sondern vielmehr die Positionierung in einem Zielkontext durch „meta-gestalterische“ Entscheidungen wie z.B. die Wahl des Zitats oder die Anordnung der vorgefundenen Elemente.

Die drei Objekte folgen drei verschiedenen Ansätzen des Sich-Aneignens einer Form [Methods of Appropriation]: Im ReBraun steht die Rekombination im Vordergrund - Die meisten Wesensmerkmale sind erhalten geblieben, doch auf der Oberfläche verrutscht, neuen Zwecken zugeglitten. Beim ReBo ist dagegen nichts bewegt worden. Stattdessen hat sich ein Fremdkörper - der Touchscreen - integrativ dazugemogelt. Beim Plattenspieler Re-SP schließlich hat sich (wenn man von der Clownerie dreier Minimanipulationen absieht) gar nichts verändert. Dafür ist der Nutzungskontext kurzerhand aufgehoben worden. Alle Funktionen sind komplett anders, als erwartet, und alle bisherigen Bedienelemente sind tot. “Skinning” - Häuten - nennt man den Prozess, Software frei gestaltbar zu machen; bei Computerprogrammen, die “skinnable” sind, können Aussehen, Anordnung und sogar Verhalten der Bedienelemente frei definiert werden. Dasselbe Prinzip haben die Gestalter hier auf Produkte angewandt: Ein handelsüblicher PC - nichts weiter verbirgt sich im inneren der “Bootleg Objects” - wird auf eine spezielle Aufgabe hin optimiert und erhält eine neue, alte, teilweise ehrliche Haut.

Markus Wolf

 
   
  #BO.01: REBRAUN
 
  MP3 JUKEBOX UND SERVER, 2002-2003
Originalgehäuse, digitale Daten, mixed Multimedia, Aluminium, Acrylglas, Stahl,
Flüssigkristall. CNC-gefräst, geschweißt, thermogeformt, lackiert, eloxiert.
Programmiert mit dem VVVV MULTIPURPOSE TOOLKIT.
DIMENSIONEN (BxHxT): 650x120x280mm

12000 EUR weitere Informationen


Die “Audio 1 Kompaktanlage” der Firma Braun - entworfen im Jahr 1962 von Dieter Rams - ist ein Meilenstein im deutschen Nachkriegsdesign. Mehr noch als Ihr Vorgänger, der bekannte “Schneewittchensarg”, verkörpert sie das Gestaltungsideal der rationalistischen “Ulmer Schule”. Die nüchternen Maßgaben der Zweckdienlichkeit und Sachlichkeit werden im “ReBraun” neu arrangiert und spielerisch verändert: Die Radioskalen weichen zwei TFT-Anzeigen, die Beschriftung der eloxierten Frontplatte zitiert ironisch die Sprachgewohnheiten der elektronischen Gründerzeit (z. B. heißt die Funktion zum Aufrufen von Internet-Streams “Netz-Stationen”). Ein zufällig positionierter Knopf namens “Zufall” steht für die Losgelöstheit von mechanischen Sachzwängen. Die Antenne empfängt kein UKW, sondern Internet-Daten über Wireless-LAN, Gehäuse und Haube wurden aus sportlichen Gründen um einige Zentimeter tiefer gelegt, ein Schauglas für die Radioabstimmung wird zum Tabernakel für das alte Braun-Typenschild.
 

 

 

 

 
   
 
   
 
 
  #BO.02: RE-BO
 
 

Originalgehäuse, mixed Multimedia, Flüssigkristall, Teakholz.
CNC-gefräst, eloxiert, manuell überarbeitet.
Design-Dummy ohne Funktionen
DIMENSIONEN (BxHxT): 660x80x260mm

~ 12000 EUR weitere Informationen


Das von Jacob Jensen 1973 für Bang & Olufsen entworfene “Beocenter 1400” verkörpert den Inbegriff skandinavischen Designs am Höhepunkt seiner geschichtlichen Relevanz. Formensprache, Verhältnis von Natur und Technik, und Formalismus im Interfacedesign beschwören den Geist des Modernismus herauf. In der Reihe der Bootleg Objects steht BO.02 stellvertretend für die Ära der Musikkassette. Das Kassettenfach birgt nun allerdings ein Lesegerät für Speicherchips. Ferner versteckt sich ein DVD-Laufwerk in einer bislang brachliegenden Schattenfuge, und ein 16:9-TFT-Display hat sich formschlüssig hinzugesellt. Der Schieberegler mit Feintrieb, der die Senderwahl steuerte, ist jetzt zugleich Anzeige und Stellzeug für eine Vielzahl von Funktionen. Folgerichtig lautet die Beschriftung des Ziffernblatts statt “Tuning” jetzt “Anything”.

   
 
   
 
 
  #BO.03: RE-SL
 
 

Originalgehäuse, digitale Daten, mixed Multimedia, Magnesium, Hartgummi,
Faserbeton, Acrylglas. Manuell überarbeitet.
Programmiert mit dem VVVV MULTIPURPOSE TOOLKIT.
DIMENSIONEN (BxHxT): 430x120x370mm

6000 EUR weitere Informationen


Seit Markteinführung im Jahr 1980 hat sich der Technics SL1210 MKII zum Altar des DJ-Kults entwickelt. Seine technischen Innovationen prägten seinerzeit entscheidend die Entwicklung ganzer Musikstile. In der Bootleg-Version als Re-SL wurde er aber aller Funktion beraubt: Der Plattenteller ist unbeweglich, der Zentrierdorn verschwunden. Anstelle von Schallplatten legt man mit einem Spezialchip versehene Souvenirs auf - etwa einen Ausschnitt aus dem original-Plattencover, oder eine leere CD-Hülle. Zum Weiterspringen in der Stückabfolge verabreicht man dem Gehäuse einen Klaps mit der flachen Hand. Befreit von allen funktionalen Sachzwängen wird der Plattenspieler zum nostalgischen Kultgegenstand, das Ritual der Musikauswahl zur ästhetischen Kontemplation, das Aufbewahren der Plattenhüllen wird als romantische Geste erkennbar.